Anne Karre: Schon seit Jahren sind die unverhohlenen Machtambitionen des Recep Tayyip Erdoğan hinlänglich bekannt. Er scheint eine große Mission zu haben. Nebenher möchte er womöglich der erste „Sonnenkönig“ eines neuen osmanischen Reiches werden, auch wenn dies nicht laut ausgesprochen wird. Die weitere Konzentration von Macht in seinen Händen spricht nicht nur für sein ausgeprägtes Machtbewusstsein. Auch zeugt es von vermindertem Teamgeist und mangelndem Vertrauen in Volk und bisherigen Staatsapparat. Und eine schmale Spur des dafür nötigen Größenwahn sollten wir jetzt auch nicht in vorauseilendem Gehorsam übersehen.
Die ein oder andere Hürde hat der Erdogan noch zu nehmen. Die Verfassungsreform ist bereits in aller Munde und auch das Parlament ist angestrengt damit befasst. Die Kritik an dem Vorhaben kommt vornehmlich aus dem Ausland. Nennenswerte Kritiker innerhalb der Türkei werden fix mal ins Gefängnisse expediert. Die Gunst der Stunde, in diesem Fall der seit dem Putschversuch geltende Ausnahmezustand, muss dreist und schnell genutzt werden.
Nach aktuellem Befund hat Erdogan zur Stunde noch genügend Rückenwind, den er rasch nutzen muss, bevor die große wirtschaftliche und geistige Flaute eines guten Tages die Türkei wieder in ihren Bann schlägt. Seine grobe Stoßrichtung hat bereits im letzten Jahrtausend verkündet und ist dafür gar eine Weile ins Gefängnis gegangen … aber bald … wird er, „Erdogan der Große“ seinen Traum Wirklichkeit werden lassen. Die erste zu nehmende Hürde ist die 60 Prozent Marke in Nationalversammlung, um ein ansprechendes Referendum zur Verfassungsänderung auf den Weg zu bringen. Wie es aussieht werden ihm die paar Ultranationalisten dabei freudig die Stange halten, bis sie sich damit und danach dann auch entbehrlich gemacht haben. Die übrigen Parteien, die den falschen Braten bereits riechen, laufen Sturm, haben aber kaum Chancen diesen Geisterzug aufzuhalten. Sie sehen schon vor ihrem geistigen Auge die neue türkische Flagge mit verschobenem Halbmond und fallendem Stern aufziehen.
Skizzieren wir kurz die wesentlichen Punkte um die es jetzt in der Türkei geht. Was wird sich nach der angestrebten Verfassungsreform ändern:
- Bislang sah die Verfassung vor, dass der Staatspräsident generell kein Mitglied irgendeiner Partei sein durfte. Infolgedessen ist Erdogan zurzeit auch formal aus seiner AKP ausgetreten. Nach der Verfassungsreform darf er dann auch wieder Mitglied der AKP werden. Auf Reichsdeutsche Verhältnisse bezogen könnte man rückwärtsgewandt fragen: Was wäre eine NSDAP ohne Adolf Hitler gewesen? So muss dann per Verfassungsreform wieder zusammenwachsen was aus Sicht des Despoten zusammengehört.
- Auch soll zukünftig der Parlamentschef nicht mehr automatisiert der Stellvertreter des Präsidenten sein. Demnach wird der Staatspräsident seine Stellvertreter künftig selbst bestimmen. Das gleiche trifft dann auch für sämtliche Minister zu, die dann ausschließlich der Staatspräsident ernennt oder entlässt.
- In dem angestrebte Präsidialsystem kann der Staats- und Regierungschefs sogar Dekrete mit Gesetzeskraft erlassen. Bislang kann Erdogan im Rahmen des Ausnahmezustandes nur Dekrete erlassen. Künftige Dekrete mit Gesetzeskraft müssten auch nicht mehr vom Parlament abgesegnet werden, sofern sie nicht ein eigenes Gesetz zu dem Sachverhalt auf den Weg brächten. In jedem Falle lässt sich so mit Turbo gut (durch)regieren. Das Parlament wird mehr oder minder zu einem gut bezahlten Abnick-Verein mit Demokratierechtfertigungsauftrag durch den Präsidenten, wie wir es von gut funktionierenden Diktaturen her bereits hinlänglich gewohnt sind.
- Richtig positiv und kostensenkend wird es bei zukünftigen Wahlen. Da kann das Volk in einem Rutsch über Präsident und Parlament befinden, soweit die Wahlen dann nicht per Dekret ausfallen. Offensichtlich ist bereits ein erster (vielleicht auch letzter) Wahltermin für den 3. November 2019 ins Auge gefasst. Die zeitgleiche Wahl von Parlament und Präsident soll die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass der Präsident auch eine Mehrheit im Parlament bekommt. Das könnte ein vorheriges Verbot anderer Parteien überflüssig machen.
- Auch die Justiz, die in normalen Demokratien als besonders unabhängig zu betrachten ist, bekommt den präsidialen Einfluss ziemlich direkt zu spüren. So wird der Rat der Richter und Staatsanwälte auf 13 Personen verkleinert, wovon der Präsident schon einmal vier Mitglieder ernennt und das Parlament weitere drei nachschiebt. Damit ist die Unabhängigkeit der Justiz in einem Verhältnis von 7/6 gewährleistet und gleichzeitig sichergestellt, dass der präsidiale Einfluss auch in der tückischen Rechtsprechung nicht zu kurz kommt.
Liegt in der geschichtlichen Wiederholung wirklich ein Reiz
Was bisher noch niemand thematisierte, wir aber in diesem Zusammenhang keinesfalls auslassen wollen: ein Präsident auf Lebenszeit. Mit der ersten und womöglich letzten Wahl kann die Ernennung des neuen osmanischen Führers zum Präsidenten auf Lebenszeit in greifbare Nähe rücken. Das wäre noch sehr viel sinnvoller und auch sparsamer, es käme auch Erdogans Vorstellungen viel weiter entgegen. Das Volk wird sicherlich, wie jetzt auch schon, gerne nach seiner Pfeife tanzen wollen. Wie damals schon die Deutschen nach Adolf seiner Melodie. Wie sich doch die Zeiten wiederholen. Schon recht, ganz so negativ darf man das jetzt noch nicht ich beurteilen, denn auch Erdoğan muss ja seine faire Chance erst noch bekommen, wie damals der Adolf auch.
Einfach durch den faktischen Ablauf von A. auf B. schließen zu wollen ist selbstverständlich völlig unfair. Deshalb müssen wir auch das erwähnen. Letztlich wollen wir auch den türkischen Menschen die Erfahrungen nicht vorenthalten, die unsere Eltern bereits gemacht haben und die bis zu dem heute noch andauernden und erblichen Dauerschuldkomlex geführt haben. Warum sollte der nicht zukünftig auch für die Türkei gelten, das Ding mit den Armeniern war wohl noch ein Nummer zu klein.
Was soll die Aufregung, der Türken-Khan macht doch nur das nach was bereits der Franzosen-Gaulle vorführte. Die Gründung der Fünften Republik, ausgestattet mit einem übermächtigen Präsidenten.
https://de.wikipedia.org/wiki/Charles_de_Gaulle
Weiss nicht genau, warum Erdoran jeden Tag für Aufreger sorgt, schlimmer als Putin. Die Türken haben ihn gewählt und dafür gesorgt, dass er nicht wegepuscht und natürlich erschossen wird.
Mittlerweile ist auch klar, dass der Westen den Putsch organisiert hat.
Wenn nur ein Zehntel der Deutschen so hinter Merkel stehen würden, wie die Türken hinter Erdoran, könnten die Deutschen eine große Klappe riskieren. So können sie es aber nicht.
Den Hitler-Vergleich finde ich sehr unfair ! Den hat der Obama mit seinen Millionen Morden, 15 Jahre globale Kriege, Aushöhlung der US-Verfassung, seinem CIA-Deep State, seiner neusten NSS- Nationale Sicherheits-Strategie, seinen Lügen – eher verdient. Aber eine Karikatur Obamas mit ‚Hitler-Bart‘ bringt wohl kein Westler aufs Papier. Dass Erdogan sich Muslimischen Ländern am Rande der RF zuwendet und Russland ebenfalls, bewerte ich positiv, solange Putin auf ihn aufpasst.
Gut und richtig beobachtet … nur leider hat der Erdo schon ein paar seltsame Züge, die somit die Türken und die Türkei in Gänze mächtig in Gefahr bringen können. Das wird, so meine ich, nur zu gerne dabei übersehen. Obama als Diktator … da quillt doch dieser Blog von über … 😉 … aber ein Schwarzer mit schwarzem Bart sieht blöd aus … 😉