Wunderland: Nein, selbstverständlich geht es nicht um wirtschaftliche Interessen. Es geht nur um Menschenrechte, Freiheit und Demokratie für 6 Millionen Wüstenbewohner in Nordafrika. Wer anderes behauptet ist selbstverständlich ein Verschwörungstheoretiker und negiert die ehrlichen und gutmenschlichen Absichten die man mit dem Bombardement von Gaddafi verbindet. Schließlich ist er inzwischen nicht mehr Freund sondern ein böser Despot. Wenig erklärlich ist zwar, warum sich andere Staaten in der Region mit noch mehr menschlichem Leid für derlei humanitäre Befreiungseinsätze nicht qualifizieren konnten. Dies scheint ein wohl gehütetes kleines Geheimnis der selbsternannten Befreier zu sein.
Dennoch ist der Blick unter den Wüstensand sehr interessant. Neben den bekannten Ölvorkommen, die etwa 4% der Weltreserven ausmachen, gibt es wundersamer Weise unter der libyschen Wüste einen kleinen Wassersschatz von 35.000 Kubikkilometern Umfang, der, wenn man ihn anzapft, sich am Ende als 58 Billionen Euro Quelle erweisen könnte und das Potential hätte den Norden Afrikas im wahrsten Sinne des Wortes ergrünen zu lassen. Damit steigt die Wahrscheinlichkeit gemäß einer schon etwas älteren Befürchtung, dass dieser Feldzug als erster echter Wasserkrieg in die Geschichtsbücher eingehen könnte. Man wird es uns nur jetzt noch nicht eingestehen wollen.
Blöd nur, dass sich bei den ganzen militärischen Interventionen der letzten Jahre immer wieder derlei Zufälligkeiten einstellen, von denen die Politiker und Entscheider selbstverständlich nicht im Geringsten etwas geahnt haben. Auch muss der geneigte Wähler davon ausgehen, dass unsere Politiker stets unbeeinflusst ihre Entscheidungen zum Wohle der Menschheit treffen, wie dies schon in 2003 George W. Bush mit dem Überfall auf den Irak mustergültig bewiesen hat, was ja auch nur aus humanitären Gründen geschah. Im Nachgang ist es auch unerheblich, ob die kriegsursächlichen Massenvernichtungsmittel gefunden wurden oder nicht. Auch die übrigen herbeigezerrten Kriegsgründe verblassen dabei im Verlauf der Zeit.
Nur gut, dass der Wähler ein genauso löcheriges Gedächtnis hat wie die Politiker auch, dies schützt nachhaltig vor besserer Erkenntnis und Gewissensbissen. Es galt und gilt das Prinzip, wenn wir schon mal da sind, dann helfen wir selbstverständlich umfänglich und installieren funktionierende Demokratien die von Handel und Wettbewerb geprägt sind und die in der Lage sind mit den westlichen Wertmaßstäben mithalten zu können. Dabei spielt es dann auch keine Rolle, ob man das eine oder andere Jahrzehnt länger okkupieren muss, schließlich dient es den Menschen.
So dürfte sich der Libyen-Feldzug wohl recht gut in die Reihe der bisherigen Befreiungen integrieren, da er naturgemäß der westlichen „Befreiungstheologie“ entspricht. Wir sollten auch die Menschen in Schwarzafrika stärker medial (nicht finanziell) motivieren vermehrt in ihrer Erde herumzuwühlen. Stets in der Hoffnung dort doch noch die ersehnten Befreiungsgründe ausfindig machen zu können, die eine humanitäre Intervention nach den gezeigten Vorbildern rechtfertigen könnten. Haben sich dann die dortigen Völker qua nachgewiesener rohstofflicher Qualifikation erst einmal ins Visier der Weltgemeinschaft gebracht, lässt sich gegen jeden Herrscher dort fix eine kleine Revolution anzetteln die dann einer Intervention der Weltgemeinschaft nach dem erwähnten Strickmuster bedarf.
Genau so schaut’s aus. Wundervolle Humanität. Phantastische Perspektiven. Demokratie pur.
Wurde nicht deswegen Krieg geführt.
Gaddafi war daran aus der Wüste ein Garten zu machen, wollte das die westliche „Wertegesellschaft“ verhindern?