Der flüssige Spiegel (2019, Stéfane Batut) – Filmbesprechung

2025 07 01 der fluessige spiegelÜberall kleine Tode, als gebe es den Todestrieb (Freud) tatsächlich

Es gibt Filme, die eignen sich nicht fürs Fernsehen und im Kino finden sie nur wenig Resonanz, wenn sie sich weitgehend einem einfachen Interpretations-Schema entziehen. Doch was macht diesen Film so schwer zugänglich? Vielleicht dass er zwei Welten beschreibt, die einander kaum oder nur sporadisch berühren. So der Traum, der frei nach Freud verschlüsselte Wunschvorstellungen oder Ängste repräsentieren mag, etwa eine verflossene Liebe, die im Traum eine Rekonstruktion erfährt, die indes in der Realität nicht das halten würde, was sie im Traum verspricht. Real mag es eine aktuelle Liebe geben, die den Praxistest bislang bestanden hat, diesen freilich Tag für Tag aufs Neue bestehen muss.

So mag es den beiden Helden, Juste (Thimotée Robard) und Agathe (Judith Chemla), ergehen, die sich im Film unwirklich, wie nicht von dieser Welt, begegnen, eigentlich wiederbegegnen. Ihre Liebe hat es vor Jahren schon mal gegeben, bis sie dann von einem Tag zum anderen verschwand, weil Juste verunglückt ist, um nunmehr als Geist wieder aufzuerstehen, von der wirklichen Agathe erkannt, weil sie in ihm ihre alte Liebe wiederzuerkennen glaubt.

Reklame für den besseren Zweck

Es gibt unterschiedliche Arten oder Ebenen eines Zugangs zum Film und seinen Figuren. Eine sei hier formuliert: Man könnte vielleicht ganz generell sagen, dass Liebende nicht zueinander finden, weil einer den anderen liebt, sondern weil zunächst jeder vornehmlich sich selbst liebt und dieses Gefühl in den anderen projiziert in der irrwitzigen Erwartung, der Andere möge das in ihn projizierte Gefühl nicht verletzen.

Verletzungen passieren vielleicht ganz unvermeidlich, sobald nach einiger Zeit zwei Liebende sich als reale Personen (wie sie tatsächlich und nicht nur in der Vorstellung sind) begegnen. Dann bleiben Enttäuschungen, in denen der eine den Anderen als fremd erlebt, nicht aus und zwei Welten, Parallelwelten ohne Verbindung zueinander, stoßen abstoßend aufeinander; eine Verbindung kann im Innenleben der Liebenden ausgebildet werden, wenn sie denn in der Lage sind oder sich nicht zu sehr scheuen, das Fremde, das beide durch den jeweils Anderen in sich erleben, dem eigenen Innenleben zu assimilieren, ein „mentaler Vorgang“, der im Innenleben dann eine reale und nicht nur eingebildete Verbindung im Sinne einer bloßen Wunschvorstellung ausbildet.

Im Film stoßen zwei Liebende aufeinander und entwickeln dabei jeweils ambivalente Gefühlen füreinander. Dabei bilden sie jeweils eine innere Welt aus, die sich aus registrierbaren Versatzstücken zusammensetzt, zwischen denen sich dunkle Abgründe auftun, in denen sie sich und den Anderen nicht durchgehend als etwas, das existiert, erleben, wo Agathe Justin mal als Geist erlebt, der sich vor ihren Augen auflöst oder nicht auflöst, ohne dass sie ihn wahrnimmt. Aus diesen Abgründen des Nichts erwachen die Liebenden immer wieder, sobald sie aufeinander oder nur auf etwas außerhalb ihrer selbst stoßen, das zu reflektieren sie nicht umhin kommen, bis alles einmal mehr im nächsten Abgrund entschwindet.

Wohin man blickt; überall kleine Tode, Bewusstlosigkeiten, in denen alles Fühlen und Denken aufhört. Als brauche der Geist zwischenzeitlich Erholung, vermag er sich nicht endlos oder ohne wiederkehrende Unterbrechungen auf was auch immer zu beziehen.

Hinweis: der Text ist leicht verändert einem Arbeitstext zur »Kritik der Psychoanalyse im Kontext einer Psychoanalyse des alltäglichen Nahbereichs« entnommen. Siehe Kap. 17.d.2, S. 55.

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Über Franz Witsch 29 Artikel
Franz Witsch, geb. 1952, lebt in Hamburg und ist Lehrer für Politik, Geografie und Philosophie. Zwischen 1984 bis 2003 arbeitete er in allen Bereichen der freien Wirtschaft als Informatiker und Unternehmensberater. Heute schreibt er sozialphilosophische Texte und Bücher.

4 Kommentare

  1. Nur die Liebe/Vertrauen zu Gott/Mutter Natur kann nicht enttäuscht werden, weil diese Beziehungen, ohne die Unwägbarkeiten einer genetischen Programmierung eines realen/tierischen Partners auskommt, deshalb besteht ja die Kirche/Religion auch auf eine Eheschließung vor dem Sex, damit der körperliche/genetische Teil einer Beziehung/Liebe schwächer ist als der seelische/Vertrauen aber bekanntlich setzt sich in einer Ehekrise dann doch die unterdrückte körperliche/genetische Programmierung durch und es kommt zu dem sogenannten Seitensprung/Fremdgehen, wobei das Vertrauen/Liebe oftmals wiederhergestellt werden kann, weil die Potenz/Geilheit wegen Arbeits-/Familienstress eh nachlässt—-soviel zum Sinn von Ehe/Arbeit/Familie/Verantwortung=Sex-/Potenz-/Gesundheits-killer/sozialverträgliches Frühableben—-schön dumm

  2. Gegensätze ziehen sich an, siehe Trump und seine Bewunderung für die animalischen mixed-martial-arts Kämpfer:
    https://www.t-online.de/nachrichten/ausland/usa/id_100804040/trump-will-250-geburtstag-der-usa-mit-ufc-kampfsportevent-feiern.html

    Soviel zum lieben Gott der darüber entscheidet mit welchem Körper/Genen man antreten darf und welche Strapazen man zwangsläufig erleiden muss, wenn man sich nicht an die Lehren des Buddhismus/Yoga hält sondern nur den Aggressionen folgt—–schön dumm

  3. Der soziale Status ist die Grundlage für Selbstverleugnung/Verlogenheit, die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen bestimmen das Verhalten der dorfinsassen um das Ziel einer ausreichenden Nachzucht von sklaven/soldaten zu erreichen, können sich die schwulen Trump-/AfD-/CDU-/CSU-Verräter nicht mehr erlauben für eine Gleichstellung zu kämpfen, siehe stellen sich freiwillig in die zweite Reihe—–soviel zum Stockholm Syndrom der niederträchtigen/abartigen läufigen Hündinnen

  4. Hallo Franz, hatten wir den Film nicht erst vor ein paar Wochen zum Thema? Wie wäre es mit einer Fortsetzung der Massenpychose? Ich würde mich dann auch mit einem Kommentar zu Melancholia melden. Den kenne ich nämlich.

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