Ich will alles. Hildegard Knef – Filmbesprechung

knefDeutschland 2025, Start 03.04.2025, Regie / Drehbuch: Luzia Schmid

Wie der Dokumentarfilm »Joan Baez, I am a Noise«, so ist auch der Dokumentarfilm über die Sängerin, Schauspielerin (»Die Sünderin«) und Buchautorin (»Der geschenkte Gaul«) ein beeindruckendes Portrait, in das man während des Sehens allerdings erst hineinwachsen muss; jedenfalls ich, der ich die für Hilde Knef schweren 1950er Jahre nicht bewusst erlebt habe, gleichwohl dunkle Erinnerungen mit dieser Zeit verbinde, und weiß, dass sie für nachdenkliche Geister – und Hilde Knef war wohl ein solcher Geist – nicht einfach zu bewältigen war. Wer will schon wissen, ob sie für die Menschen damals überhaupt einer Verarbeitung, die ihren Namen verdient, zugänglich war.

Jedenfalls musste Hilde sich mühsam aus dem Loch dieser finsteren Zeit herausbuddeln, indem sie über sich, und was in ihrem Innenleben vor sich ging, sprach – vor allem als Buchautorin und Sängerin. Schwierig für mich, das nachzuvollziehen vor dem Hintergrund, dass der Film diese Zeit für Hilde als geradezu unverdaulich beschrieb. Und dennoch erzeugt er mit der Zeit einen Sog, dem man sich immer weniger zu entziehen vermag. Das vor dem Hintergrund, dass spätere Zeiten bis zu ihrem Tod im Jahre 2002 sich durchaus als nicht weniger unerträglich anfühlen mochten.

Tatsächlich bürsteten kritische Geister der Kriegs- und Nachkriegsgeneration, Knef kam im Dezember 1925 zur Welt, unentwegt vor allem gegen die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg; Hilde weitgehend aus ihrem Innenleben heraus, indem sie zum Ausdruck brachte, wie sehr sie unter ihrer Zeit litt, ein Leben lang; nur dass Zeitkritik mit der Zeit eben auch ausdünnen kann, heute kaum mehr spürbar, wie sie sich in den 1950er Jahren angefühlt haben mag und in späteren Zeiten deshalb nicht selten kontrafaktisch zu jeweils aktuellen Zeit verklärt wird..

Ja, ja, früher war alles besser. Kritik am Zeitgeist dünnt in dieser Weise generell aus, zumal wenn Menschen dazu neigen, wesentliche Ursachen grausamer sozialer, politischer und ökonomischer Strukturen dem Innenleben anzulasten; sodass es, mit Schuld beladen, bis heute immer schwerer zu schaffen macht, man sich selbst als die Ursache allen Übels begreift, etwa, aktuelles Beispiel, dafür, dass es mit dem Klima bergab geht, weil Menschen zu viel CO2 erzeugen. Dann ist es nicht mehr weit, den Einzelnen zur Ursache allen Übels zu erklären, einschließlich ökonomischer Krisen.

Das mag ja ab Mitte bis Ende der 1960er Jahre auf massive Kritik, durchaus überzeugend, gestoßen sein; freilich gleichursprünglich mit dem Wermutstropfen, dass bis heute das Innenleben so gut wie keine Rolle mehr spielt im Kontext einer Kritik äußerer Strukturen, sodass Kritik immanent im Gegenstandsbezug verharrt: den gesellschaftlichen Kontext nicht berührt – weil, ja weil Menschen zur Verantwortungsübernahme im Hinblick auf ihre Beziehungen es ablehnen, sich – mit negativen Gefühlen – berühren zu lassen. Und schon wenn Berührung droht, mit Kommunikationsverweigerung reagieren.

Kurzum: Bleibt das Innenleben außen vor, kann Sozialkritik nicht vollständig sein. Das wissen Menschen instinktiv, noch ohne, dass sie daran denken, dass dabei ihre Kritik an den äußeren Strukturen belanglos bleibt, wenn das Inneleben außen vor bleibt. Zumal sie sich ja ohne politische Hintergedanken dafür interessieren, wie es zum Beispiel im Innenleben von Hildegard Knef aussieht, um wiederum, weil sie nur spüren, nicht zu begreifen, dass sie dem Innenleben einmal mehr zu viel aufbürden, was die Ursachen sozial-ökonomischer Gebrechen betrifft.

Und die Kulturträger, lediglich voyeuristisch auf die Produktion von Gefühlen fixiert, um beim Bürger anzukommen, tragen ihren Anteil dazu bei, dass das so bleibt; unentwegt bemüht, namentlich Hilde, das Innere nach außen zu kehren. Wie auch nicht? Schließlich hätte sich Hilde andernfalls – ihrer eigenen Aussage zufolge – nicht zu einer öffentlichen Person entwickeln können. Davon lebe sie, so schwer es ihr zuweilen auch falle. Freilich ohne mentale Kraft, weitergehend zu fragen, wie sich das Innenleben der Menschen, also auch das eigene, sich verbinden lässt mit einer Kritik äußerer Strukturen, daran im Übrigen schon die Freud’sche Psychoanalyse scheiterte.

Und sie scheitert bis heute immerzu weiter. So in der Art: das Innenleben einbeziehen ist ja schön und gut, aber zu weit treiben sollte man es, das eigene Innenleben schmerzhaft einbeziehend, auch nicht. Sodass das Interesse narzisstisch sich im Voyeurismus verliert. Damit gerät jede Kritik unter die Räder, jedenfalls eine solche, die ihren Namen verdient. Dann dauert es nicht lange, die heutige Zeit macht es deutlich, dass wir einmal mehr zur Knetmasse in den Hände der herrschenden Klasse, ihrer Polit- und Mediennutten, gerinnen. Bis von einem »gegen die Zeit bürsten« die Rede nicht mehr sein kann. Auch wenn sie es noch so verdienen würde.

Am Ende liegt alles danieder, was nicht niet- und nagelfest: Menschen zusammen mit ihren Strukturen, nicht die der herrschenden Klasse, durch die hindurch das obrigkeitsstaatliche Denken einmal mehr wiederbelebt wird, immer schneller seit der geistig-moralischen Wende Kohls zu Beginn der 1980er Jahre. Heute ist Obrigkeitshörigkeit wieder stärker denn je ausgeprägt, zumal umso unwiderstehlicher im Gestus des Lockeren; stärker als in den 1950er Jahren, was diese Zeit durchaus sympathischer erscheinen lässt als die, die wir heute erleben.

Heute erleben wir das Innenleben wie die veröffentlichte Meinung gleichsam als gleichgeschaltet; sodass Kritik ausdünnt bis hin zur vollständigen Nichtexistent. Selbst unter Widerständlern wie zum Beispiel Sahra Wagenknecht; Gysi ohnehin; der fühlt sich heute – wie damals in DDR-Zeiten – in seinem Element. Nachplappern ist das Gebot der Stunde. Das färbt auf soziale Strukturen ab, in denen jenes neue Obrigkeitsdenken, von oben nach unten erzwungen, buchstäblich »fröhliche« Urständ feiert. Gefährlicher als je zuvor.

Fazit: Genau eine solche Entwicklung begreifen unsere Kulturträger generell nicht – einschließlich Hilde bis zu ihrem Tod 2002 und möglicherweise auch die Macher dieses Films nicht. Dennoch sehr sehenswert.

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Über Franz Witsch 20 Artikel
Franz Witsch, geb. 1952, lebt in Hamburg und ist Lehrer für Politik, Geografie und Philosophie. Zwischen 1984 bis 2003 arbeitete er in allen Bereichen der freien Wirtschaft als Informatiker und Unternehmensberater. Heute schreibt er sozialphilosophische Texte und Bücher.

14 Kommentare

  1. Der Titel des Films genügt, um mich davon abzuhalten, mir diesen Film anzusehen, denn wer gelernt hat, selbst zu denken und begriffen hat, wo der Sand am Strand liegt, der weiß, die Kunst des Lebens ist leicht zu lehren – man darf nur nicht zu viel begehren, denn wer alles haben will, bekommt am Ende schlimmstenfalls nichts, aber mit Sicherheit das Schlechte aufgebürdet – eben ALLES.

  2. Genau, die denke: „für mich solls rote Rosen regnen“ ist der damaligen Zeit geschuldet, wo man glaubte, dass Bescheidenheit/Mauerblümchen/in den Tag hineinleben/komm ich heut nicht komm ich morgen/der Abwasch läuft nicht davon usw.usf totales tabu war bzw. man hatte panische Angst davor irgendwas im Leben zu verpassen/ nicht erlebt zu haben, dieser Zwang ist die hauptproduktivkraft im Kapitalismus und genau diese denke will Trump/AfD wieder forciert unters Volk jubeln damit jeder Erdenwurm zur maximalen Verwertung/Wertschöpfung beiträgt und nicht auf die Idee kommt das einmalige Leben/Geschenk einfach zu genießen

  3. Zum Film kann ich nix schreiben, hab ihn noch nicht gesehen. Laut hiesigem Artikel regt er wohl die sachliche Auseinandersetzung mit dem Innenleben an, was allein ihn schon wertvoll macht. Allerdings wird er damit nur Wenige erreichen, denn üblicherweise trifft er damit auf eine Tabuzone, weil oft der Verstand gerade da endet, wo die Emotionen einsetzen und sich dann Unverdautes Bahn bricht.
    Ich halte es deshalb für zweifelhaft, dass Menschen allgemein ein Innenleben besitzen.
    Wem Sachlichkeit und Vernunft über alles gehen oder Geheimnisse und Peinlichkeiten plagen, der hat eher einen inneren Tod zu bewahren, anstatt bei emotionalen Themen wach zu werden.

  4. Ohne einen inneren Frieden kann man nicht so entspannt singen wie Knef/Piaf, trotzdem hatten
    viele Weltstars sogar Michael Jackson damals noch keinen Zugang zum Yoga und konnten deshalb u.a. keinen erholsamen Schlaf finden und wurde so zwangsläufig Opfer der Drogen-/Pharma-industrie, siehe auch Edith Piaf—-soviel zum fatalen Christentum welches die Selbstkontrolle/-hilfe kategorisch ablehnt, weil dann Gott automatisch überflüssig ist/wird

  5. ich bin gar nicht gleichgeschaltet.

    Nur meiner Zeit voraus.

    Deshalb muss ich Geduld aufbringen.
    Aber alles fließt.
    Und am Ende muss jemand den Saustall saubermachen.

    Wie sang die Hilde doch so schön? „Von nun an gings bergab“
    Wir sind noch nicht am Boden aufgeschlagen. Kommt erst noch.

    Ich hatte das alles schon mal dem Egon erklärt, aber er wollte mich nicht verstehen, meinte ich wäre arrogant, und war am Ende beleidigt, weil ich manchmal seine falschen Thesen ins Lächerliche gezogen hatte.
    Ich habe nun mal nen Hang zur Satire und zum Lästern.

    Das ist eine Methode der Immunabwehr gegen die Dummheit unter den Sklaven des Mammon.

    https://egon-w-kreutzer.de/ich-fuehle-mich-ziemlich-beschissen

    Vielleicht braucht es gerade solcher Trigger, um sich von den eigenen Illusionen zu befreien. Schaun mer mal und sehn mer dann.
    Es gibt ja auch noch kluge Menschen, die nicht aufgeben.

    Der Egon wird nicht aufgeben. Das kann er nämlich gar nicht.

    Das sind aber eher Menschen, die sich ihr Geld selber erarbeiten müssen, also keine Politiker und keine Künstler.

  6. Weltstars sind keine guten Beispiele um das Innenleben der Erdenwürmer zu erkunden, weil sie zum Typus Schauspieler zählen/gehören die ständig eine Rolle spielen/annehmen müssen, das gleiche gilt für Politiker, die Fähigkeiten zur selbstverarschung/-täuschung/Lebenslüge ist der größte Nachteil der Erdenwürmer aber gleichzeitig der Garant für die Profitgesellschaft, denn wenn ich meine innere Zufriedenheit nicht wahrnehme/unterdrücke sondern meine ganze lebensenergie/sexenergie für den profit der systemgünstlinge/-profiteure opfere, dann werde ich nicht nur krank/vorzeitiges Ableben sondern bin auch extrem dumm/fremdbestimmt—-soviel zu den weltweiten sklaven/Erdenwürmer die noch keinen Zugang zum Yoga/innere Zufriedenheit gefunden haben

  7. Trump führt die heutige Psychologie ad Absurdum, denn wenn ein Präsident alle erdenklichen Persönlichkeitsstörungen ausleben darf, dann kann die komplette Psychologie in Frage gestellt werden, ganz zu schweigen von der gewalttätigen Psychiatrie—-soviel zur alles bestimmenden Machtfrage/Machtgefälle:
    Eltern zu Kindern
    Mutter zum Baby
    Sandkastenbully zu Mitspieler
    Lehrer zu Kindern
    Schulhofbully zu Mitschülern
    Arbeitgeber zu Arbeitnehmern
    Arzt zu Patient
    Alleinverdiener zu Hausfrau
    Staat zum Bürger
    König zu leibeigenen Erdenwürmern, siehe südamerikanische sklaven im ehemaligen Land der Freiheit und unbegrenzten Möglichkeiten der USA

  8. Gibt’s überhaupt jemanden der authentisch ist/er selbst oder sind wir alle das Produkt der jeweiligen Zeit/gesellschaftlichen Verhältnisse/machen aus der Not eine Tugend zum Beispiel Hitler wurde von Gott rein äußerlich benachteiligt, deshalb war er einsam und frustriert und suchte sich einen Sündenbock für seinen Frust, weil er die geilen, vom lieben Gott bevorteilten deutschen Männer nicht für seinen frust verantwortlich machen konnte/deutsches tabu hat er sich die ebenso vom Gott benachteiligten Minderheiten/u.a. Juden als Sündenbock/Feindbild für seinen natürlichen Hass zum abreagieren ausgesucht und da der liebe Gott nicht nur ihn rein äußerlich benachteiligte sondern Millionen Deutsche das gleiche Schicksal traf, fanden sich auch sofort viele begeisterte hitler-fans, die dann gemeinsam im Holocaust/an den Juden ihre Wut/Hass über den ungerechten Gott abreagierten und sich so ein wenig besser fühlten, so wie in der Fabel vom dem Fuchs und den unerreichbaren Trauben—-soviel zu dem psychologischen Trick schwächere Minderheiten nieder zu machen um das am Boden liegenden Selbstwertgefühl ein klitzekleines bisschen aufzuhübschen/niederträchtige Entartung

  9. Nachtrag: parallelen zu den heutigen machthabern sind rein zufällig oder ein zwangsläufig natürlich/genetisch bedingter Ausleseprozess

  10. Etwas Näher an der Wahrheit war da Nana Mouskouri mit ihrem Text: „… einen sommer lang zu frieren kann ich leichter überwinden als dich nah bei mir zu haben, wenn dich doch bei mir nichts hält..“ das ist echte authentische Wahrnehmung/Innenleben

  11. Andere wie AnNa R. Sängerin von Rosenstolz wollte schon zu Lebzeiten, dass ihr Privatleben/Innenleben geheim bleibt, warum will jemand der die sogenannte „Liebe“ über alles stellt und sogar erfolgreich darüber singt, nicht ihr Innenleben mit anderen/ihrem eigenen Publikum teilen ? Wenn man so stark davon überzeugt ist, dass nur die Liebe im Leben zählt, besteht die Gefahr daran zu zerbrechen, deshalb sollte man nicht alles im Leben in eine Waagschale legen, u.a. die Buddhisten/Hinduisten haben die Erdenwürmer von den kulturellen/traditionellen Zwängen befreit/erlöst, dieses Wissen ist stärker als die unkontrollierbare „Liebe“

  12. Nachtrag: „Liebe“ geht tatsächlich durch den Magen, denn wenn ich mir den Magen/Darm/Leber usw. verderbe, dann habe ich auch eine schlechte Laune/fittnes/negative Gedanken/Gefühle/Träume, deshalb ist die Liebe zu sich selbst/Verdauungssystem wichtiger als die Liebe/Beziehung zu anderen, denn erst wenn mein Körper/Geist vor Wohlbefinden strotzt habe ich auch die notwendige Energie um anderen Liebe zu schenken/zu zeigen—-soviel zu dem wichtigen Darm-Immunsystem/-Gehirn welches sich nicht durch positive selbstverarschung/-denken/Glauben an einen Gott usw manipulieren lässt

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