Beruf & Karriere: Wie wird man Terrorist?

Auf diese Fragestellung bin ich gekommen, weil ich hörte, wie jemand behauptet hat, im Nahen Osten gebe es Israel einerseits und zehntausende von Terroristen andererseits, die von den Israelis bekämpft werden, wofür man den Israelis gar nicht dankbar genug sein könne. Nun ist es aber so, daß sich alle diese Terroristen gar nicht als Terroristen verstehen, sondern als Freiheitskämpfer. Die Zuschreibung „Terrorist“ kommt also von außen. Verwendet wird sie offenbar gern von solchen Leuten, die sich selbst nicht als Feinde von Freiheitskämpfern verstanden wissen wollen. Das ist schon merkwürdig, wenn man bedenkt, daß man andere Leute zur selben Zeit so bezeichnen soll, wie sie selbst das wünschen. Da wird der „Zigeuner“ gehorsamst zum Rotationseuropäer und der „Neger“ zum Menschen mit afrikanischem Hintergrund. Nur der Freiheitskämpfer muß sich weiterhin als „Terroristen“ bezeichnen lassen. Wie’s wohl kommt? Ist denn der Freiheitskämpfer nicht einer, der sich nicht länger mehr von seinen Unterdrückern terrorisieren lassen will? Ist es überhaupt denkbar, daß es zehntausende von Terroristen in einem recht überschaubaren Gebiet gibt? – Schwierig, schwierig …

Sehr gern von „Terroristen“ reden irgendwelche Politiker und Medienleute. In den USA gibt es seit über zwanzig Jahren einen öffentlich ausgerufenen „War On Terror“, also einen Krieg gegen den Terror. Abermillionen von Einwohnern anderer Länder haben da Zweifel. Ob wohl im amerikanischen „War On Terror“ auch drin ist, was außen draufsteht, fragen sie sich – und ob es sich nicht recht eigentlich um einen „War Of Terror“ handelt, also einen Krieg vermittels Terror statt eines Krieges gegen den Terror.

In diesem Zusammenhang fällt dann auch öfter einmal das unschöne Wort „Staatsterrorismus“. Kann es denn so etwas wie Staatsterrorismus überhaupt geben? Wenn ja, und wenn der Staat sich als eine Demokratie versteht, in der man frei und geheim wählen geht: Muß man dann der staatsterroristischen Unterstützerszene zugerechnet werden? Gilt man gar als Staatsterror-Sympathisant? – Schwierig, schwierig …

moshe israeli marokko
Braver Soldat: Moshe Avichzer – Screenshot Facebook

Moshe Avichzer ist Soldat in den IDF. Ein braver Mann, der sein Leben riskierte für seinen Staat, einen Staat, der sich selbst zu wesentlichen Teilen auf Terror gründet. Irgun, Hagana, Lechi, Avraham Stern, Menachem Begin und so weiter. Und nun das: Moshe Avichzer hatte Urlaub und den verbrachte er in Marokko. Das war unklug, weil er dort nämlich verhaftet wurde und angeklagt werden wird. Er hatte Zivilisten in Gaza terrorisiert, indem er welche folterte und auch erschoß. Das wiederum hatte er fein säuberlich dokumentiert und die entsprechenden Fotos auf seinem Instagram-Account hochgeladen. Daher wissen die Marokkaner von seinen Terrortaten. Er wird aber nicht wegen Terrorismus angeklagt werden, sondern wegen Kriegsverbrechen. Die wiederum gelten wahrscheinlich nicht als Terror gegen Zivilisten. Weiß der Geier, warum nicht. Vielleicht, weil er sonst von seinem eigenen Staat im Rahmen von dessen „Krieg gegen den Terror“ (zehntausende Terroristen!) hätte eingebuchtet werden müssen bis zur Verhandlung. Kriegsverbrechen gelten offenbar nicht als Terror.

Eine allgemein akzeptierte Bezeichnung für das, was die ukrainische Armee zwischen 2014 und 2022 an den ethnischen Russen im Donbass verbrochen hatte (ca. 14.000 Tote), ehe dann mit Beginn der russischen SMO am 24.02.2022 hochoffiziell von „Krieg“ die Rede gewesen ist, kenne ich gar nicht. Ob die ukrainische Armee wohl „Terroristen terrorisiert“ hatte bis „Putin seinen unprovozierten Angriffskrieg“ begann?

Ebenfalls von Interesse wäre, ob man als Terrorist unbedingt morden und brandschatzen muß, um als einer durchzugehen, oder ob es auch so etwas wie „niederschwelligen Terrorismus“ gibt. Mir kommt es so vor, als ob es das geben könnte. Die deutsche Außenfeministin Baerbock könnte mich niederschwellig terrorisiert haben, als sie bei Sandra Maischberger auf die Frage, warum sie nach Ricarda Lang und Omid Nouripour nicht ebenfalls zurücktritt, mit folgender Antwort aufwartete: Das geht nicht, weil Putin sonst bis Polen durchmarschiert. Seither frage ich mich, ob der regierungsamtliche Lügenterror dem niederschwelligen Terrorismus zugerechnet werden kann. Man fühlt sich ja doch ein wenig bedroht von diesen Leuten, genau wie vom Terror, vor dem sich alle fürchten.

Wahrscheinlich ist es ziemlich einfach, Terrorist zu werden, weil es nur darauf ankommt, wer sich entscheidet, einen so zu bezeichnen. Die ubiquitäre Zeichensetzerei („Wir müssen ein Zeichen setzen“) hat ja ebenfalls einen einfachen Grund: Wer ein Zeichen setzt, entzieht sich automatisch dem Verdacht, er selbst sei derjenige, dem einmal ordentlich eines hätte gesetzt werden sollen. Die Zeichensetzerei ist schon clever. Mindestens so clever, wie Leute als Terroristen zu bezeichnen, die sich vorher selbst terrorisieren lassen mussten.

 

Ø Bewertung = / 5. Anzahl Bewertungen:

Bisher keine Bewertungen! Sei der Erste, der diesen Beitrag bewertet.

311b753566f34271bbdb2dc721ba4799
Avatar für Max Erdinger
Über Max Erdinger 26 Artikel
Max Erdinger schrieb seit 2016 als freier Autor und Kolumnist täglich für "Journalistenwatch" und "Ansage". Er begreift sich als einen konservativen Freigeist, der sich nicht auf bestimmte "Narrative" festlegen läßt. Wichtig ist nicht, wer etwas sagt, sondern was jemand sagt.

1 Kommentar

  1. Im Jahre 1990 geschah etwas Ungeheuerliches, weil der Feind im Osten sich quasi von selbst aufgelöst hatte.
    10 Jahre lang hat es gedauert um dann sehr effektvoll am 11.9.2001 ein nachhaltiges Universal-Feindbild und neues Geschäftsmodell zu erschaffen. Mit dem sgn. „Krieg gegen den Terror“ war eine neue und absolut universelle Staatsdoktrin aus der Taufe gehoben worden.
    Wer die echten Terroristen hinter dieser Geburt waren, blieb kaum hinterfragt, weil bislang jeder Krieg immer (!) mit einer Lügen begonnen hat. – Warum nicht auch dieser?
    Als Terrorist kann seither jeder gelten, dem nur die ungünstigsten Prognosen zur Seite stehen.
    Also keine Banken, Konzerne und Oligarchen-Seilschaften.

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


*