Ghana fürgegen Deutschland, die geheime Fußballreportage

Ghana fürgegen Deutschland, die geheime Fußballreportage Flag_of_Ghana_Germany_Deutschland_DDR_Fußball_WMAuftakt: Nach dem 2:2 Unentschieden zwischen Ghana und Deutschland bei der letzten WM einigten sich die Manager beider Mannschaften auf ein Entscheidungsspiel. Am letzten Sonntag war es soweit. Austragungsort war Windhoek, die Hauptstadt Namibias, der ehemaligen deutschen Kolonie Deutsch- Südwest- Afrika. Da das Spiel für die vergangene WM keine nachträgliche Bedeutung hatte, wurden die Regeln geändert: es sollte ein Symphatiespiel werden, keines der üblichen Kampfspiele.

Um das zu ermöglichen, griff man gleich am Anfang zu einer drastischen Maßnahme. Die Mannschaften stellten sich gegenüber und brüllten wechselseitig: „Neger“ und „Imperialisten“. Die afrikanischen und die europäischen Fans stimmten auf den Rängen in diese Rufe ein. Nach zwanzig Minuten zeigten sich bei allen Spielern und bei den meisten Zuschauern deutliche Erschöpfungserscheinungen. Gelegentlich wurde gelacht. Die allgemeine Entspannung bot einen guten Humus für ein faires, harmonisches Spiel.

Erste Halbzeit

In den ersten Minuten suchte die deutsche Elf Trittsicherheit auf afrikanischem Boden. Der Ball holperte zwischen den Spielern herum, ohne dass ein klarer Plan erkennbar wurde. Die Spieler aus Ghana warteten höflich auf eine Gelegenheit, mitspielen zu dürfen. Schließlich stieß Muntari von den „Black Stars“ einen Pfiff aus, worauf Klose aus den deutschen Reihen irritiert den Ball an Muntari abgab. Empörte Rufe aus dem Block der deutschen Fans gingen schnell in erleichtertem Klatschen der gesamten Zuschauer- Gemeinde unter. Schließlich war man nicht ins Stadion gekommen, um einer Solovorstellung der deutschen Mannschaft beizuwohnen.

Die Ghanaer spielten sich nun ihrerseits etwa fünf Minuten lang den Ball zu und blieben dabei auf ihrer Spielhälfte. Die Zuschauer wurden sichtlich nervös. Einige schienen jedoch zu begreifen, dass die Black Stars nichts anderes taten, als die Löw-Elf in ihrer Passivität zu imitieren. Vereinzeltes Gelächter erhob sich unter den Zuschauern. Weniger gelassen sollte das später die spanische Zeitung „AS“ kommentieren: „Ghana terrorisierte Deutschland.“

Einige ghanaische Spieler wurden von Lachanfällen geschüttelt und gingen in die Knie. Da sah der deutsche Stürmer Klose seine Chance, preschte in den frei gewordenen Raum und erzielte ein Blitztor. 1:0 für Deutschland! „La Republika“ schrieb dazu: „Ein Blitztor Kloses rettet Deutschland. In zwei Minuten beugt er Ghana, auch diesmal schlägt nicht die Stunde Afrikas.“

Triumph für den „deutschen Kaiser Klose“. In nostalgischer Verklärung erinnerten sich deutsche Fans an Zeiten, als der echte deutsche Kaiser über die Kolonie Süd-West- Afrika herrschte. „Schickt die Neger in die Wüste“ wurde skandiert. Das war dem deutschen Trainer Löw zuviel. Auf sein Zeichen drehten alle deutschen Spieler ihre Trikots um. Auf denen war nun zu lesen: „Kein Rassismus!“. Die „Black Stars“ zeigten sich darauf vorbereitet. Sie wendeten ebenfalls ihre Trikots.

Auf denen stand: „Doch!“ Und sofort bewiesen sie, wie ernst sie es meinten. Was nun geschah, las sich in der Zeitung Corriere dello Sport so: „Ghana überrascht Deutschland mit seinem aggressiven Verhalten und einer Geschwindigkeit, die Löws Truppe gelegentlich nicht meistern kann“. Nach wenigen Sekunden stand es 1:1.

Und nun sah man Afrika tanzen. Die Spieler der Black Stars ließen die Hüften kreisen, tausende afrikanische Fans taten es ihnen gleich. Die Ränge bebten. Trommeln dröhnten. Schwarze Frauen huben eine Art Jodeln an, das entgegen der bayerischen gemütlichen Jodelei wie ein irres Kriegsgeschrei klang. Als der Tumult nach einer Viertelstunde nicht aufhören wollte, erklärte der Schiedsrichter mit einem Pfiff die erste Halbzeit für beendet. Einige deutsche Spieler zogen ihre Trikots aus und übergaben sie den ghanaischen Kollegen. Auf Muntaris Trikot prangte nun „Klose“. Klose hieß nun „Muntari“. So zog man in die Pause.

Zweite Halbzeit

Mit Beginn der 2. Halbzeit hatte der Trikotwechsel, welcher bei der Hälfte aller Spieler zu beobachten war, zu einem radikalen Übersichtsverlust der Schiedsrichter und Mannschaftskapitäne gesorgt. An Strategien war nun nicht mehr zu denken. Die Black Stars waren von deutschen Trikots durchmischt, umgekehrt erging es den deutschen. Folgerichtig spielten sich Schwarze und Weiße gegenseitig den Ball zu. Dadurch kam es zu einem mehrminütigen Pingpong zwischen Gyan und Mertesacker, die sich in elegant vorgeführter positiver Diskriminierung übten. „Nimm Du den Ball“ und „Ich brauche keine Sonderbehandlung, die steht eher deiner Hautfarbe zu“ schienen sie sich zuzurufen.

Dieser vehemente Regelverstoß wurde schließlich mit einer Spielunterbrechung durch den Schiedsrichter goutiert. Beide Mannschaftskapitäne trafen sich in der Mitte des Spielfelds. Nach kurzer Beratung kehrten sie zu ihren Mannschaften zurück. Schließlich stellten sich alle Spieler in einer Front auf, wobei sie den Ball vor sich her stießen- bis in eines der Tore. Dann ging zürück gegen das andere Tor. Die Torhüter, derart überfordert, hatten sich längst in die Reihe der Spieler eingefügt. Hin und her, her und hin. Dabei wurden abwechselnd afrikanische und deutsche Lieder gesungen. Nach einem fulminanten 22:22 kam der Schlusspfiff. Die Massen tobten vor Begeisterung. So viele Tore bei einem Match hatte man bei einem Länderspiel noch nie erlebt.

Die Party

Wahre Bewusstseins- Stürme fegten nach dem Spiel durch die Stadt Windhoek. Europäer kratzten das Koltan aus ihren Smartphones, Afrikaner sangen „Deutschland über alles“, Rosen aus Kenia wurden nachträglich mit hohen Überweisungen fair bezahlt, deutsche Eigenheime an die Nachfahren der vertriebenen Herero und Nama überschrieben, es gab Blitzhochzeiten zwischen namibischen Frauen und deutschen Männern, Kleinkalibergewehre der Marke „Heckler und Koch“ wurden eingeschmolzen und afrikanischen Werften zum Schiffsbau übergeben, in Hundertschaften meldeten sich Europäer zu afrikanischen Tanz- Koch- Trommel- und Sprach- Kursen an, und schließlich- es dämmerte bereits, errichtete man vor den Toren der Stadt einen gewaltigen Haufen mit Geldscheinen, der zu den Klängen der namibischen Nationalhymne feierlich entzündet wurde.

Der namibische Präsident schickte einen enormen Zeppelin, der einen 40 Meter langen Joint trug und über dem brennenden Geldhaufen aufglühte wie die Sonne über den leergefischten Küsten Afrikas. Bald wollte jeder etwas essen. Es gab Fisch von der somalischen Küste, der den gekaperten europäischen Trawlern aus dem Bauch gerissen wurde. Somalische Piraten erwiesen sich als äußerst geschickt bei der Zubereitung- schließlich waren sie einst Fischer gewesen, die aus ihrem Fang mit über Generationen weitergegebenen Rezepten Mahlzeiten zauberten, von denen fastfood- gewöhnte Europäer nur träumen konnten. Die Nacht wurde vertanzt, verkichert und verliebt. Das war das Entscheidungsspiel zwischen Ghana und Deutschland, zwischen Afrika und Europa.

Epilog

Seitdem sind ein paar Tage vergangen, alles ist wie früher, Afrika bleibt verschuldet, einbeinige Kindersoldaten vegetieren in einen frühen Tod, Europäer spekulieren auf afrikanisches Getreide, Supermarktketten weigern sich, ihre Produkte korrekt als „Kolonialwaren“ zu kennzeichnen, Afrika siecht dahin und Europa wird immer fetter. Nur die Erinnerung an diesen Tag, als der Fussball vom Kampf zum freien Spiel wurde, dieser Tag wird als ein ewiger Traum über dem von schwarzer Flüchtlings- Haut durchzogenen Mittelmeer schweben.

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Über Anarchist65 2 Artikel
Mit Ende dreißig hörte ich auf, zu arbeiten. Ich wollte mehr denken und weniger für andere schuften. Später erfuhr ich: Michel de Montaigne zog sich mit 38 Jahren aus der Erwerbsarbeit zurück, um seine Studien zu betreiben. Er war reich. Ich bin es nicht. Montaigne lebte im 16. Jahrhundert. Ich lebe heute. Wenn ich es mir leisten kann, so luxuriös zu leben, mit rund 10 Stunden Arbeit pro Woche, wie viele könnten es dann auch? Können wir uns überhaupt noch vorstellen, was wir herstellen? Warum erhalten nicht alle die Freiheit, die sie haben könnten? Das interessiert mich. Im Übrigen mag ich die Kyniker. Oder mit Tabori gesagt: „Das Lachen öffnet das Gehirn, dann können die Nägel des Verstandes eindringen.“

1 Kommentar

  1. Herrlich,

    wie geträumt. So macht Fußball Spaß. Und wieder realistisch, das Erwachen, womit Fußball als zwar stilbildender, aber letztlich nebensächlichster Nebenkriegsschauplatz um die Ressourcen der Welt entlarvt wurde. Mein Gott sowas würd ich gerne auch mal in „seriösen Blättern“ lesen, aber die schmieren doch nur noch regimekonforme Entengrütze auf ihre Seiten.
    In eigener Sache aber mit aktuellem Zusammenhang:
    Ich warne hiermit vor vor sogenannten Gewinnspielen. Ich habe vor kurzem Teil genommen und nun ein halbjähriges Zwangsabo des Focus gewonnen, mit dem ich nichts anfangen kann da ich keine Holzöfen habe. Kündigen geht nicht, da es ja ein Geschenkabo sei.

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